Fragend schreiten wir voran. Trotz aller politischen Initiativen der Aufständischen werden die Übereinkünfte aus den Friedensverhandlungen von der mexikanischen Bundesregierung niemals umgesetzt. Daher beginnen die Zapatistas damit, die Konstruktion einer besseren Welt in ihre eigenen Hände zu nehmen.
Die aufständische Armee zieht sich vollständig aus der Zivilverwaltung zurück und die zapatistische Bevölkerung etabliert ein Netzwerk von regionalen autonomen Räten, den sogenannten Caracoles. Die Räte werden rotativ besetzt, damit sich im Laufe der Zeit alle Bewohnerinnen an der guten Regierung beteiligen können. Über die Jahre hinweg entsteht ein selbstbestimmtes Bildungssystem mit sämtlichen Schulstufen und es entwickelt sich ein reger Wissensaustausch mit den Universitäten der Erde, die auch in anderen Ländern der Welt ihre Arbeit aufnehmen. Mit Hilfe zahlreicher solidarischer Spezialistinnen wird ein autonomes Gesundheitswesen aufgebaut, zu dem sämtliche Kranke gleichermaßen Zugang haben. Die unabhängige Rechtsprechung in den Autonomiegebieten erweist sich als so zuverlässig, dass auch Nicht-Zapatistas dort um Recht und Gerechtigkeit vorstellig werden. Denn die offiziellen staatlichen Institutionen sind derart korrupt und korrumpiert, dass sie längst jegliche Glaubwürdigkeit verloren haben.
Der Aufbau und Betrieb von landwirtschaftlichen Kooperativen bildet das ökonomische Rückgrat der zapatistischen Selbstverwaltung. Die kollektive Zusammenarbeit in diesen Kooperativen basiert ähnlich wie in den Caracoles auf einvernehmlichen und basisdemokratischen Entscheidungen. Eine permanente Rotation von Aufgaben verstärkt den Austausch von Kenntnissen und sorgt dafür, dass möglichst viele Kooperativmitglieder mit allen erforderlichen Tätigkeiten vertraut werden. Nicht zuletzt wirkt der regelmäßige Wechsel in den Verwaltungsaufgaben als Mechanismus gegen mögliche Korruption und Vetternwirtschaft. Dabei gilt in den Kooperativen dasselbe wie in den Räteregierungen: Für die Arbeit am Gemeinschaftlichen wird keinerlei Lohn ausbezahlt.
Die Konstruktion der zapatistischen Autonomie hat sich als so erfolgreich erwiesen, dass sich die Anzahl und Ausdehnung der Caracoles inzwischen verdreifacht hat. Aber den Aufständischen geht es nicht einfach um regionale Selbstbestimmung. Ihre Anliegen und ihr Kampf machen auch vor nationalen Grenzen nicht halt, und seit dem Beginn ihres Aufstandes laden die Zapatistas immer wieder alle, die sich dafür interessieren, in ihre befreiten Gebiete ein, um Wissen und Fähigkeiten, Künste und Fertigkeiten, Tänze, Träume und Widerständigkeiten gemeinsam zu vermehren. Auf ihrem Weg zur Schaffung einer Welt, in der viele Welten Platz haben, verfolgen die Zapatistas keine Ideologie. Sie orientieren sich vielmehr an einer einfachen und praktischen Methode, die darin besteht, fragend voranzuschreiten, um jeden gemachten Schritt daraufhin zu überprüfen, ob er in die gewünschte Richtung führt.