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Azoren, Portugal, Europa

(Anmerkung: Kalender und Zeit der Geographie Mexikos entsprechend.) Mit gepudertem kleinen Gesichtchen, ihrem renovierten Äußeren – das Deck geschrubbt und das Segelwerk geflickt – nahm die Montaña am 16. Mai Fahrt auf gen Osten

nachdem sie den Hafen von Cienfuegos, Cuba verlassen hatte. Entlang der Playa de las Coloradas, die Sierra Maestra zur Linken, wurde das Schiff erneut von Delfinen begleitet, die Durito Stahlkäfer (1) herbeigerufen hatte.

Dieser stieß Verwünschungen aus als sie an der US-amerikanischen Abirrung namens Guantánamo (2) entlangglitten. Vor Haiti grüßten Wale die Montaña auf ihrem Weg, und in Isla de la Tortuga gingen Durito und der Gato-Perro (3) von Bord. Sie erzählten etwas von einem vergrabenen Schatz oder einem, der noch auszugraben ist. In Unterstützung der Unterstützungsequipe [der Comisión Sexta der EZLN] erbrachen sich Lupita, Ximena und Bernal geschwisterlich – obzwar ich denke, sie hätten bevorzugt, es auf eine andere Art und Weise zu tun. Wegen starker Gegenwinde ging die Montaña in Punta Rucia, Dominikanische Republik zur Erholung und aus Vorsichtnahme vor Anker. Am 24. Mai in der Morgendämmerung und unter vollen Segeln (»Um den Wind nicht zu verjagen«, meinte Kapitän Ludwig) nahm das Schiff gen Norden Fahrt auf. Nun waren es Orcas, Schwertwale, die sie zum Abschied aus karibischen Gewässern grüßten. Zwischen dem 25. und 26. Mai wich das schizophrene Schiff – welches glaubt, gleichzeitig eine Sie und eine Montaña, ein Berg zu sein – auf gut Glück den Bahamas-Inseln aus. Richtung Nordosten begab es sich – jetzt bereits auf offener See. Duc in Altum (4).

Am 4. Juni – das so genannte Bermuda-Dreieck bereits hinter sich – wandten Schiff und seine geschätzte Besatzung ihre Gesichter der Sonne entgegen, die sich im Osten zeigte. Sie segelten zwischen dem 5. und 9. Juni dort, wo – der Legende nach – sich das prächtige Atlantis befindet.

Es war 22:10:15 Uhr am Tag des 10. Juni – als sich vom Ausguck der Montaña – zwischen dem leichten Nebel einer europäischen Morgendämmerung (5) – der geschwisterliche Berg Cabeço Gordo der Insel Faial ausmachen ließ – zugehörig zur Inselgruppe der Azoren, autonome Region der Portugal genannten Geographie in Europa.

Es war 02:30:45 Uhr des 11. Juni – als die Sicht auf die Küste des Hafens von Horta in Steinwurf-Nähe den Blick von Schiff und Besatzung feucht werden ließ. In den Bergen der Azoren war es 7:30 Uhr morgens. Um 03:45:13 Uhr näherte sich der Montaña ein Schnellboot der Hafenaufsicht von Horta, um ihr den Ankerplatz anzuweisen. Um 04:15:33 Uhr ankerte sie gegenüber den anderen Bergen. Es war 08:23:54 Uhr – als das Boot der Hafenpolizei die Besatzung der Montaña aufnahm, sie an Land brachte für den PCR-COVID19-Test und danach wieder zum Schiff, um auf die Ergebnisse zu warten. Während der gesamten Zeit war das Betragen der »Autoridade Maritima« im Hafen von Horta freundlich und respektvoll.

Die Besatzung einschließlich der Passagiere befindet sich bester Gesundheit, »heiter und froh, und ohne Zwistigkeiten, Klatsch oder Streit. Es wird für einander gesorgt (innerhalb des Geschwaders 421).«

Hier ist jetzt der Moment, darüber zu informieren, wer noch – außer der Besatzung der Stahlratte und des zapatistischen Geschwaders 421 – mitgesegelt ist. Um die maritime Überfahrt zu dokumentieren, sind dabei: die unabhängige Kamerafrau, Filmemacherin María Secco und der unabhängige Berichterstatter Diego Enrique Osorno. Als [Teil der] Unterstützungsequipe der zapatistischen Delegation fährt Javier Elorriaga mit.

Gemäß den zapatistischen Gepflogenheiten mussten diese 3 – zusätzlich zu dem, dass sie ihre Kosten selbst bestreiten müssen – in Schrift-Form die Autorisierung ihrer Familien, Partner*innen nebst Anhang vorweisen. Die jeweiligen Briefe wurden dem Subcomandante Insurgente Moisés übergeben. Ehefrauen und -männer, Mütter, Söhne und Töchter schrieben und unterzeichneten eigenhändig ihre Autorisierungen. Es war an mir, sie zu lesen. Sie enthalten alles Mögliche: von philosophischen Reflexionen, über die höfliche Bitte eines Mädchens ihm einen Wal mitzubringen, bis hinzu Kinderzeichnungen. Niemand bat um Käfer oder Gato-Perros (1, 3) – wobei ich nicht weiß, ob es sich dabei um einen Affront oder um eine Erleichterung handelt. Die Schreiben der Kinder ließen ihren Stolz erahnen, dass jetzt Vater oder Mutter von ihrer Erlaubnis abhängig sind. (Der zapatistische Klassiker: »Die Enten schießen auf die Flinten.«) Ich nehme an, dass Ihr die Gelegenheit haben werdet, die Blicke von María und Diego kennenzulernen – ihre Anekdoten, Reflexionen und Bewertungen ihrer Teilnahme in der »ersten Reihe« dieser Verrücktheit (beide machen es mit dem Film). Andere Blicke sind immer willkommen und sind erquicklich.

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Nach Bekanntwerden der Nachricht in den Bergen des Südosten Mexikos haben die zapatistischen Gemeinden der Besatzung der Stahlratte via ihres Kapitäns eine Botschaft gesandt: »Danke, Ihr seid chingones – mega-ober-super-geil-und-cool.« Sie sind immer noch dabei, dies ins Deutsche zu übersetzen.

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Zum Reflektieren: Das Motto der Azoren lautet: »Antes morrer livres que em paz sujeitos.« (Eher als Freie sterben als im Frieden unterworfen zu sein.)

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In der Ferne im Osten betrachten die Säulen des Herakles (6) – die zu ihrer Zeit die Grenzen der damals bekannten Welt markierten – mit Verwunderung einen Berg, der aus dem Westen heransegelt.

Beglaubigt.
SupGaleano.
11.Juni 2021.